Kinder, Kinder, Kinder

So sieht zur Zeit meine Woche aus. Kinder, Kinder, Kinder. Montags, Dienstags, Mittwochs, Donnerstags, Freitags. Jeden Tag eine oder zwei Kindersporteinheiten, in denen meine Kollegin und ich den Kleinen „Beine“ machen müssen. Wir lassen sie laufen, springen, weitspringen und hoch springen, hüpfen, werfen, kleine Bälle, große Bälle. Und wir sorgen auch dafür, dass der Spaß für die Kleinen nicht zu kurz kommt.

In den Schulkindergruppen bleiben die Kinder bis zu vier Jahre in der Gruppe und kommen 2 mal die Woche zum Breitensport. Wenn meine Kollegin und ich an der Sporthalle eintreffen, wartet ein großer Pulk an Kindern auf uns. Noch bevor wir die Halle gemeinsam betreten, erzählen sie uns, was sie bewegt.

Einen Jungen von 8 Jahren möchte ich in diesem Betrag erwähnen, der schon ein paar Jahre bei uns ist. Er ist eher ruppig, aber lieb und nett und wenn es was zu klären gibt, ist er einsichtig und versucht sein bestes und hält sich an jede Absprache, so gut er kann. Gestern kam er uns schon entgegen und erzählte uns, dass sie einen aufregenden Schultag hatten.

„Die Polizei war bei uns in der Klasse“ erzählte er. „Warum?“ wollten wir wissen. „Sie haben eine Jungen gesucht, der nicht nach Hause gekommen ist. Er hat den selben Nachnamen wie ich“ Aus seinen Worten konnte ich entnehmen, dass er glaubte, die Polizei wollte ihn „verhaften“. „Nein, nein, da musst du keine Sorge haben. Besorgte Eltern vermissen ihr Kind und lassen ihn deshalb von der Polizei suchen“ Er war beruhigt.

Der Kleine, der diesem Schrecken bekam, hat jedoch ganz andere Sorgen. Sorgen, die mir manchmal, wenn ich mit ihm spreche, mein Herz bluten lassen. Vor ein paar Wochen kam er nach längerer Abwesenheit wieder in die Sportgruppe zurück. Er erzählte uns, warum er nicht kommen konnte. „Meine Mutter ist gestorben. Aber sie war schon ganz lange krank“ Er erzählte uns, worunter sie litt, ohne eine Träne zu vergießen. Er begriff noch nicht, was der Tod seiner Mutter für ihn bedeutet. Die kindliche Naivität schütze ihn vor dem Schock.

Gestern erzählte er mir nebenbei, dass er beim Sport und dem Spaß, den er dabei hat, seine Traurigkeit über den Verlust seiner Mutter für diese Zeit vergisst. Seine Eltern lebten getrennt. Seit dem Tod seiner Mutter lebt er wieder beim Vater und wenn der für Tage oder Wochen wegen seiner Arbeit nicht zu Hause sein kann, springen seine Großeltern ein. „Opa ist jetzt bei mir“ erzählte er mir noch auf die Schnelle und lief dann wieder zu den anderen Kindern, die mitten in einen wilden Spiel waren. Ich sah ihm nach, er hatte Spaß

dieser Schlingel

fast ein Schuljahr lang beschäftige mich ein kleiner Junge im Kindersport mit seinem Leiden. Alles begann damit, dass er mir im vorbeigehen sagte, er hätte einen Herzfehler und bekäme deshalb keine Luft. Es nahm Asthmaspray, wenn ihm die Luft nach den schnellen Lauf ausging. Es brach förmlich auf dem Weg zu seinem Medikament zusammen und lag erst mal am Boden. Sowas darf ich als Trainer nicht unbeachtet lassen und so betreute ich den Kleinen nach jedem Zusammenbruch, bis er seine Atemnot überwand, während meine Kollegin das Training weiterleitete Hatte sich der Kleine wieder erholt, schoss er aber wieder los und warf sich ins Kindergetümmel.

Seine Zusammenbrüche während der Sportstunde nahmen zu und ich musste mehrfach mit ihm vor die Hallentür gehen, damit er sich wieder erholen konnte. Ich machte mir um ihn Sorgen wie um meine eigenen Sohn, konnte mir aber nicht vorstellen, dass mit dem Stand der Dinge der ärztlichen Möglichkeiten das Ende seiner Fahnenstange an Lebensqualität schon erreicht waren. Ich rang mit mir, denn ich hätte ihm gern geholfen, aber wie? Ich sah nur eine Möglichkeit. Mein Schwager ist ein bekannter Herzchirurg, der auf Kinderherzen spezialisiert ist. Warum den Kleinen mal nicht einen anderen Facharzt vorstellen?

Als ich mich endlich dazu durchgerungen hatte, wollte ich dem Vater den Hinweis auf den bekannten Herzchirurgen geben. Doch der Vater blockte mich vorher schon ab. „Mein Sohn hat nichts mit dem Herzen, er bekommt „nur“ keine Luft“ Sein Sohn widersprach, doch auch den Sohn blockte der Vater sofort ab. Verdutzt und mit tausend Fragezeichen im Kopf brach ich das Gespräch ab. Ich fragte mich aber, ob die Eltern des Kleinen uns ein Herzleiden ihres Sohnes verheimlichen wollten. Er wurde als ein „nur“ am Asthma erkranktes Kind avisierte. Ich konnte mir aber auch keinen Reim darauf machen, warum uns die Eltern dies verheimlichen sollten. Auch behauptete der Vater , sein Sohn würde nur in der Sporthalle zusammenbrechen, ansonsten springt er wie alle anderen Kinder wild rum, ohne dass es zu dramatischen Zusammenbrüchen kommt und schon gar nicht wie ich die Zusammenbrüche 3- 4 viel mal in einer Trainingseinheit erlebte. Es wurde nach dem kurzen Gespräch noch rätselhafter für mich.

Nachdem ein anderes Kind uns erzählte. dass der Kleine während er am Boden lag, für einen kurzen Moment verschmitzt lächelte, wunderten meine Kollegin und ich uns ein weiteres mal. Man konnte förmlich die Fragezeichen auf unseren Köpfen tanzen sehen. Er lag so oft filmreif am Boden, hielt dabei eine Hand an seinem Herzen, wenn ich ihn nach einem Zusammenbruch vorfand. Ich hob ihn genau so oft vom Boden auf und ging unter den Armen gestützt und mit eingeknickten Beinen mit ihm vor die Sporthalle. Dort schnappte er dann heftig nach Luft und erholte sich wieder. Wir baten den Kleinen in einem kurzen Gespräch, er sollte uns nur um Hilfe bitten, wenn er sie auch wirklich benötigt. Und wir sprachen noch einmal mit den Eltern.

Seit dem kippt der Kleine nicht mehr aus den Latschen und muss auch nicht mehr nach jeder Anstrengung an die frische Luft geführt werden. Er läuft und springt mit der Ausdauer eines fast gesunden Kindes 90 Minuten durch die Sporthalle, ohne auch nur einen einzigen klitzekleinen Schwächeanfall. Die tanzenden Fragezeichen schwirren noch immer um meinen Kopf, trotz der Klarheit, die ich nun endlich gewonnen habe.

Dieser kleine Schlingel hat sich nach seinen Regeln der Kunst von mir während der Zeit fürsorglich bemuttern lassen und wusste genau, wie er meine fürsorgliche Aufmerksamkeit bekommen konnte. Meine Kollegin und ich konnten es aber auch verstehen und mit einem schmunzeln nachvollziehen. Auch wenn er „nur“ keine Luft bekommt, ist Asthma etwas dramatisches, auch wenn alle so tun, er hätte nur einen leichten Schnupfen.

kleiner Mann, was nun?


Zum Glück habe ich mich damals in der letzten Phase meines Wachstums noch ausreichend gestreckt, so schaffte ich mit 4 cm den klar definierten „Kleinwuchs“ von unter 150 cm zu überschreiten. So bin ich nur klein, aber nicht kleinwüchsig.

Zur Zeit haben wir ein Kind in der Sportgruppe, der zu den Kleinwüchsigen zählt, wie man sie schon an ihrem Körperbau erkennt. Er macht mit, was er kann und wenn es ihm zu viel wird, darf er sich ausruhen. Für uns als Trainer ist es wichtig, dass wir keine „Extrawurst“ für ihn braten, nur der zwischenzeitlich Ausruhmodus ist erlaubt.

Und wir haben noch einen weiteren “ kleinen Mann“ in der Kindergruppe, der sich mit seinem Körper ganz anders auseinander setzen muss. Die Asthmasprayflasche muss er immer bei sich haben, ohne sie geht es nicht. Eher so nebenbei erzählte er mir, dass er am Herzen erkrankt wäre (oder mit einem Herzfehler geboren wurde – so genau weiß ich es nicht mehr) und deshalb hätte er das Asthma gekommen.

Wie sieht eine Trainingstunde mit solch einem kleine Kerl aus? Er will wie de anderen Kinder laufen, springen und toben, doch alle 15 Minuten muss ich mit ihm vor die Tür, damit er sich an der fischen Luft erholen kann. Nicht selten bricht er schon in der Sporthalle zusammen und schafft es allein ohne meine Hilfe nicht an die frische Luft.

Vorgestern wartete er – wegen der sommerlichen Temperaturen schon zusammengefallen und in den Schatten geflüchtet – mit den anderen Kindern vor der Sporthallentür darauf, dass er mit den anderen Kindern in die Halle stürmen zu dürfen. Er berappelt sich, doch kaum hatte er den Umkleideraum betreten, brach er wieder zusammen. Also entschied ich, er solle sich in der Sporthalle umziehen. Anders, als in der engen Umkleidekabine, in der sich auch noch viele Kinder aufhalten, zirkuliert die Luft in der großen Sporthalle besser. Und so war es auch. Er erholte sich schnell und trat wie die anderen Kinder zum Sport an.

Immer Donnerstags muss ich 30 Minuten die Kinder allein trainieren. Meine Kollegin kommt an den Tag immer später. Also kann ich mich um den“kleinen Mann“ nicht so intensiv kümmern. Ein weiteres Kind übernimmt in dem Fall die Fürsorge für den Kleinen. „Wenn es schlimm wird, dann rufst du mich“ gab ihm mit auf den Weg. Es sieht immer süß aus, wenn die beiden Jungs Hand in Hand an die Tür gehen.

Wenig später kam er aber aufgeregt in die Sporthalle zurück. „Frau H…., Frau H…., Frau H…, Ni….liegt im Flur auf dem Boden“ Es wurde also doch wieder schlimmer. Zum Glück war meine Kollegin schon eingetroffen und übernahm das Training. In solchen Momenten wird deutlich, warum immer zwei Trainer im Kindertraining vor Ort sein müssen. Ich konnte mich sofort wieder um den kleinen Mann kümmern. Er lag seitlich ausgestreckt und kraftlos im engen Flur, der von der Sonne aufgeheizt war und kam aus eigenen Kräften nicht wieder hoch. Ich hob ihn auf und unter dem Armen gestützt gingen wir wieder zur großen Ausgangstür, die zum Glück im Schattenbereich lag. Er erholte sich relativ schnell und ließ auch keine weiter Zeit verstreichen und fädelt sich sofort wieder in das laufende Training ein.

Diese Intervalle durchlaufen wir mit dem Kleinen zu jeder Traningseinheit. Der Vater erklärte uns, dass sein Sohn dieses Problem nur in der Sporthalle hätte, ansonsten hüpft er umher, ohne von den eben geschilderten Problem geplagt zu werden.

Ich frage mich, ob der Kleine wirklich nur in der Sporthalle so sehr wegen seines Herz- und Asthmaleidens eingeschränkt ist. Vielleicht wird er von seinen fürsorglichen Eltern eher ausgebremst? Für mich aber ist auffällig, dass er sich ganz schnell erholt und genau so schnell wieder ins Training einsteigt, natürlich auch mit „Hochgewindigkeit“, wie seine Altersgleichen es tun.

Und ich frage mich, ob das alles ist, was der Kleine an Lebensqualität auch für die Zukunft zu erwarten hat ? Wie sieht seine Prognose aus? Wird sie besser oder schlechter? Welcher Schatten geht seinem Leben voraus?

geschafft und bombensicher

Geschafft bin ich nicht, zum Glück. Aber ich hatte gut zu tun . Zur Zeit laufe ich von einer Sporthalle zur anderen und trainiere Kinder in jedem Alter. Angefangen bei 2 Jahren und die Größten sind 10 Jahre alt. Mein Hauptgeschäft ist Yoga, aber der Trainermangel des Vereins „zwingt“ mich, auch im Kindersport aktiv zu sein und das ist echt eine Knüppelarbeit.

Am Montag hatte ich die Kindergartenkinder im Alter von 4 – 6 Jahre. Fröhlich zogen sie mit mir Richtung Sporthalle, doch als wird drin waren, hatten sie keine Lust mehr auf Sport. Spontan stauten sich bei mir die Schweißperlen auf der Stirn und ich wünschte mir, ich hätte ein Stimmorgan, dass jeden an die Wand nagelt. wenn ich ihn ihn laut und deutlich anspreche. Doch meine Stimmfrequenz geht im Kinderlärm unter und ich musste andere „Geschütze“ auffahren. Und ? es hat geklappt. Ich bekam spontan Aufmerksamkeit mit der Ansage: „Wenn das mit euch nicht klappt, wird am Ende nicht mehr gespielt“ Sie sahen mich mit großen Augen und versprachen Besserung. Bei der Gelegenheit zog und ziehe ich vor jeder Erzieherin den Hut. Kein Wunder, dass der Krankenstand bei den Erziehern oftmals hoch ist.

Am Dienstag hatte ich die Kinder im Alter von 6 – 10 Jahre. Und auch bei denen muss sich eine Frau wie ich durchbeißen. Die 10 Jährigen wollen einem gern auf der Nase rumtanzen und davon muss ich sie zu jedem Training abhalten. Bei den meisten gelingt es mit einer Ermahnung, aber eine von den „lieben“ Kindern verhält sich, wie ein Aal, der einem permanent durch die Finger rutscht. Sie sitzt heulend in der Ecke, wenn andere Mädels , nachdem sie einen Blick auf sie geworfen haben und lachen. Sie glaubt, man würde über sie lachen. Umgekehrt teil sie unter anderen aus, dass es nur so raucht. Nun überlege ich schon seit Tagen, wie ich dem Mädchen bei kommen kann.

Am Mittwoch zwei Trainingseinheiten mit Vorschulkinder. Die waren alle lieb und hatten Spaß. Zum Glück kamen die Kinder nicht aus der Innenstadt, denn die Innenstadt wurde am Mittwoch Vormittag evakuiert.

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